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Das kleine "Ich und die Seele"

Es war an der Zeit, da wurde das kleine Ich und die Seele geboren. Das war eine große Freude. Doch im Laufe der vielen Jahre, wuchs das kleine Ich zu einem ausgewachsenen Ego heran. Im Grunde war es nicht seine Schuld, vielmehr waren es die unzähligen Stolpersteine, aber auch die versteckten Regeln des Alltags. Hier und da wuchsen Wegweiser an unterschiedlichen Lebenskreuzungen aus der Erde, die oftmals in der Einbahnstraße der Dunkelheit endeten.

Dort, wo einst große Freude und Licht herrschte, verschwand die Seele immer tiefer hinter den Brettern der Erfahrungen, Verletzungen und dem schwarzen, vom Ego aufgebauten Schutzwall. Und so kam es, dass Ego das wärmende Licht seiner Begleiterin, der Seele vergaß.

Und eines Tages, sagte das erwachsen gewordene, riesige Ich, es sei Zeit für eine neue Regel. Die Seele wurde hellhörig, denn sie befürchtete das Schlimmste. Noch eine weitere Steinreihe im Schutzwall, und sie würde für immer im Dunkeln verkümmern.

Also fragte sie nach, denn sie wollte wissen, um welche Regel es sich dieses Mal handeln würde. Im Laufe des Lebens waren es so viele geworden, auch wenn sie nie wirklich begriffen hatte, warum dies so sein musste!

Doch als das Ego verkündete, das es von nun an verboten sei zu lieben , mehr noch, bedingungslos zu lieben, erschrak die Seele fast zu Stein.

Dennoch faste sie allen Mut zusammen, und sendete dem dunklen Ego ihren hellsten Lichtblitz. Was konnte schon geschehen, dachte sich Seele, und fragte laut:

"Willst du denn nie mehr mit mir leuchten ?"

Leuchten!?...wiederholte Ego verächtlich. Nein, sicher nicht! Wozu denn auch, jeder der leuchtet wird verletzt. Und ich will nicht verletzt werden, das lasse ich nicht mehr zu.

Du schenkst jemanden dein Herz, und er tritt es mit Füßen, und zum Dank verrät er dich und fügt dir leid zu. Nein danke, darauf können wir verzichten! Wir, fragte die Seele erstaunt. Hast du vergessen, das ich das Leuchten und Licht bin?!

Ich habe jetzt keine Zeit mich um dich zu kümmern, polterte Ego. Das Leben dort draußen erwartet Kraft, Durchsetzungsvermögen und Stärke. So etwas wie deine liebevolle Wärme, womöglich noch verpackt in Fürsorge oder Verständnis, wären ein Zeichen von Schwäche. So sind nun einmal die Regeln des Lebens.

Geh du einfach zurück hinter deinen Bretterzaun und dem Schutzwall. Wozu habe ich schließlich all das aufgebaut. Doch nur um dich zu schützen Seele! Geh, und tue was du tun musst, so wie ich tue, was ich tun muss.

Doch so leicht wollte die Seele sich dieses Mal nicht geschlagen geben. Sie hatte noch ihren letzten Trumpf aufbewahrt. Die bedingungslose Liebe, trotz all der Dunkelheit hinter dem Bretterzaun.

Das größte, schönste und wertvollste Geschenk, dass man geben kann. Alles andere hatte sie ja bereits verschenkt.

Also fragte sie noch einmal, ist dies eine Regel die geschrieben steht, im Buch des Lebens? Das Ego blickte sie erstaunt an. Nun ja, nicht wirklich, musste es eingestehen. Es ist eben die Summe unserer Erfahrungen, und somit schreiben wir jeder unser eigenes Buch.

Unserer Erfahrungen fragte die Seele noch einmal? Ich für meinen Teil sitze seit ich denken kann hinter diesen Brettern, die immer größer, höher und dicker wurden. Doch mein Strahlen ist, wie es bei meiner Geburt gewesen ist. Du hingegen wurdest immer dicker und größer, um nicht zu sagen, beängstigend riesig. Du raubst mir die Luft zum Atmen, versperrst die Sicht auf schöne neue Dinge. Wann hast du das letzte Mal, dich an einer Blume erfreut, oder an dem Sonnenaufgang, dem Regen, dem Gefühl geküsst zu werden, umarmt und gehalten zu sein, zu vertrauen?

Ist das denn so wichtig, fragte das Ego. Natürlich ist das wichtig erwiderte die Seele, denn ohne all das sind wir nichts. Und ich frage dich noch einmal, steht es irgendwo geschrieben, bedingungslose Liebe wäre falsch? Wieder trat eine lange Stille ein, und das Ego musste zugeben, dass dies nirgendwo geschrieben stand, außer in seinen Gedanken. Und Gedanken kann man schließlich ändern, dachte das Ego, ohne zu ahnen, dass sich dadurch eine Latte aus dem Bretterzaun lösen würde. Sie fiel so krachend zu Boden, das Ego darüber erschrak, und den Lichtstrahl nicht kommen sah, der seinen Stahlpanzer durchbohrte.

Ego spürte plötzlich das Licht in seinem Inneren, als würde ein Stromschlag ihn zum Leben erwecken. Seele konnte sehen, das der Stahlpanzer sich oberhalb des Herzens auflöste.

Ermutigt von dem Ergebnis, fragte sie noch einmal, müssen denn all die Regeln wirklich sein? Warum können wir nicht einfach freundlich sein, Lächeln und dafür ein Lächeln ernten? Wäre das nicht besser als knallhart zu sein? Wir haben doch bereits so viel Wissen angehäuft, dass wir es stets mit einem Lächeln untermalen könnten. Wieder überlegte das Ego, bis es stumm nickte, wodurch eine weitere Latte aus dem Bretterzaun fiel. Erneut traf der Strahl des Lichts den Panzer, sodass weitere Bretter zerbrachen. Mehr noch, das gesamte Gebilde geriet ins Wanken, bis es plötzlich vollends kippte und das Gefängnis der Seele freigab. Ego zuckte noch einmal zusammen, bevor ihn die riesige Welle des Lichts überrollte, um seinen Stahlpanzer zu schmelzen.

Ego stand einfach nur da, und blickte mit seinen riesigen, dunklen Kulleraugen auf Seele. Zum ersten Mal, seit unendlich vielen Monden, erkannte Ego die Wärme und Sanftheit von Seele, so tief und berührend, das er auf der Stelle anfing zu weinen. Ja, weine ruhig, flüsterte Seele, das wird dich heilen.

Und während sie dies sagte, streichelte sie das immer kleiner werdende Ego sanft, bis Seele es in Händen halten konnte.

Siehst du, sagte sie, das fühlt sich doch gut an, und ist gar nicht so schlimm wie du dachtest. Das Ego konnte nur noch stumm nicken, so ergriffen war es. Von nun an, werden wir gemeinsam alle Hürden des Lebens nehmen. Wir werden die Waage von "Für und Wider" stets im Auge behalten. Werden das Licht mit Aufmerksamkeit, Bewusstheit, Fürsorge und Liebe nähren. Und an dunkleren Tagen, werden wir die Wolken mit Tränen füllen. Doch wir brauchen keine Angst mehr vor der Dunkelheit haben, denn gemeinsam werden wir die Schatten vertreiben, und die Bretter verbrennen, auf das sie hell leuchten.

Und so kam es, dass Ego nie wieder riesig wurde, und es im Verbund mit Seele alles schaffte, was beide sich wünschten.........

 
 
 

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©2022 Ann-Sophie Triskel Autorin. Erstellt mit Wix.com

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